Ab dem kommenden Jahr gilt eine Messpflicht für Betreiber eigener Stromerzeugungsanlagen. Doch der Leitfaden dafür wurde erst im Oktober veröffentlicht. Energierechtsexperte Sebastian Igel fordert deshalb eine Übergangsregelung.
Betreiber von Blockheizkraftwerken und Photovoltaikanlagen mit Leistungen über zehn Kilowatt zur Eigenstromversorgung stehen vor einem Dilemma: Wollen sie für das kommende Jahr die Privilegien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Anspruch nehmen, müssen sie ab 1. Januar 2021 umfangreiche Messstrukturen aufbauen. Bislang konnten sie ihre Strommengen schätzen und sich dabei auf die Übergangsvorschrift des § 104 Abs. 10 EEG berufen. Bei der Endabrechnung für das Jahr 2020, die bis Ende Mai 2021 erfolgen muss, müssen sie dem Übertragungsnetzbetreiber erklären, dass und in welcher Weise eine Abgrenzung von Eigen- und Drittverbräuchen durch eine geeichte Messungen erfolgt, so wie es in § 62b EEG normiert ist. Wer die gesetzliche Frist nicht einhält, verliert die Berechtigung zur Schätzung für dieses Jahr. Mögliche Folge: Auf die Gesamtheit des selbst erzeugten Stroms muss die volle EEG-Umlage entrichtet werden. Das Problem: Eine Vielzahl der Betroffenen kann diese Auflage unverschuldet gar nicht mehr einhalten. „Der Gesetzgeber sollte schnellstmöglich mit einer Fristverlängerung reagieren und betroffene Unternehmen eine verlässliche Planungsbasis liefern“, fordert deshalb Rechtsanwalt Sebastian Igel, Vorstand der Energie-Admin AG.
„Die Bundesregierung hat bei der Ausgestaltung des Gesetzes nicht berücksichtigt, dass die Anforderungen in vielen Fällen an der Lebenswirklichkeit der Adressaten vorbeigehen“, kritisiert der Energierechtsexperte aus Hannover. Mit seiner Firma berät er überwiegend Unternehmen im Gesundheitswesen und Einrichtungen der öffentlichen Hand in energierechtlichen und -administrativen Fragen. „Viele unserer Mandanten betreiben Stromerzeugungsanlagen, wobei der darin erzeugte Strom auch an dritte Letztverbraucher innerhalb der Kundenanlage geliefert wird“, beschreibt der Rechtsanwalt seine Klientel. Dass viele Betroffene die Frist bis Jahresanfang 2021 nicht werden einhalten können, liege nicht an deren Verschulden, versichert Igel. Stattdessen führt er folgende Gründe für eventuelle Versäumnisse auf:
Auf diese Problematik angesprochen, reagieren Bundesnetzagentur und Übertragungsnetzbetreiber ausweichend. Sie verweisen auf das geltende Recht sowie auf die Zuständigkeit des Gesetzgebers. TransnetBW beispielsweise wies in einer schriftlichen Stellungnahme ausdrücklich darauf hin, dass seine Auskunft ohne Anspruch auf Rechtsgültigkeit erfolge. „Sofern in der Jahresabrechnung 2020 von der Übergangsregelung gemäß § 104 Abs. 10 EEG 2017 Gebrauch gemacht wird, muss eine Erklärung gemäß § 104 Abs. 10 S. 2 EEG 2017 darüber abgegeben werden, dass ab dem 01.01.2021 § 62b EEG 2017 erfüllt wird“, erklärte ein Mitarbeiter des baden-württembergischen Netzbetreibers. Seinen Worten zufolge stimmen sich die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber derzeit zu den Anforderungen an die nach § 104 Abs. 10 Satz 2 EEG 2017 zu leistenden Erklärung ab. Doch aufgrund des Abstimmungsbedarfs mit weiteren Akteuren liege der Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht vollständig in ihrer Hand und könne daher nicht näher genannt werden.
Die Bundesnetzagentur erklärt auf Anfrage, dass sie keinen Einfluss auf die im EEG genannten Fristen habe. „Die Frist in § 104 Abs. 10 EEG unterliegt nicht dem Zuständigkeitsbereich der Bundesnetzagentur, da es sich um eine gesetzliche Frist handelt“, schreibt eine Referentin für Erneuerbare Energien. Eine Änderung der Frist könne nur der Gesetzgeber in Berlin vornehmen. Dort werde derzeit über Änderungen am EEG beraten. Auch zur Ausgestaltung der Erklärung könne sie keine Angaben machen: § 104 Abs. 10 Satz 2 EEG besage nur, dass dargelegt werden müsse, wie ab dem 1. Januar 2021 sichergestellt sei, dass § 62 b EEG eingehalten wird. Die Bundesnetzagentur werde keine Formulare veröffentlichen oder konkrete Vorgaben für diese Erklärung machen. Sowohl die Übertragungsnetzbetreiber als auch der Verband der Wirtschaftsprüfer würden bereits seit längerem an einer Ausgestaltung der Erklärung arbeiten. Gegebenenfalls gebe es von dort eine Richtschnur für die Unternehmen, die eine Erklärung abgeben müssten.
Energierechtsexperte Igel beobachtet den Umstand, dass die Bundesnetzagentur mit ihren „faktisch rechtsetzenden Hinweisblättern“ die viel zu oft unklaren oder unbestimmten gesetzlichen Vorgaben für die Adressaten ausgestaltet, schon seit längerem kritisch: „Hier übernimmt die Exekutive originäre Aufgaben der Legislative.“ Dass die Bundesnetzagentur nun ihrerseits auf Vorgaben der Übertragungsnetzbetreiber und des Verbands der Wirtschaftsprüfer verweist, hält er für die nächste Stufe der Entscheidungsdelegation – „nunmehr von der Exekutive an die Privatwirtschaft.“ Vor dem Hintergrund nicht einhaltbarer Vorgaben bestehe dringender Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Zumindest müsse dieser eine Übergangsregelung verabschieden, damit betroffene Unternehmen keine Nachteile erleiden. „Auch die konkreten Anforderungen an die nach § 104 Abs. 10 Satz 2 EEG abzugebenden Erklärungen müssen vom Staat und nicht von der Privatwirtschaft formuliert werden“, mahnt Igel. Anlagenbetreibern rät er, zumindest vor Ablauf der Frist ein Fachunternehmen mit der Konzeption einer Messstruktur zu beauftragen. Damit ließe sich nachweisen, dass sie aktiv geworden seien und versucht hätten, die Frist einzuhalten. Ein solches Vorgehen habe in der Vergangenheit, beispielsweise bei der Pflicht zur Durchführung eines Energieaudits, Betroffene vor Sanktionen durch die BAFA bewahrt. Autor: Ingo Schmidt
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